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2001

going public 2
19. Mai - 2. Juni 2001



   
 



Clemens Austen, * 1968
In konsequenter Beschäftigung mit den Materialien der neuen, modernen Welt, wählt Clemens Austen die Plasikfolie.
Es geht ihm um preiswertes Allerweltsmaterial, dem unter größtmöglicher Einfachheit der Mittel emotionale Qualitäten gegeben werden.
Sie hat für ihn nicht nur praktische Vorteile, sondern einige besondere physikalische Eigenschaften. In seinen Installationen konzentriert sich Clemens Austen auf die Fragen der Lichtbrechung, Reißfestigkeit und Verhalten der Folie im Raum.

Auf bestechend einfache Weise realisiert er vier Projekte: 1. Magentaraum: die funktional-kalte Meisterkabine wird, mit Folie bespannt und ausgekleidet, zur hippen Musikclubkabine im Magentalicht.
2. Vier Abdeckfolien in verschiedenen Maßen werden in Augenhöhe quer in einen Raum gespannt. Die grafische Unterteilung rückt für den Betrachter die Besonderheiten des Raumes in den Blick.
3. Folienteich: vom nahen Tümpel wird 20 Liter Wasser inclusive Entenflott und lebendigem Getier in gespannte Plastikfolie gefüllt.
4. Eine Gasflamme unter einer darüber gespannten Folie erhellt die Eigenschaften der Bewegung und Raumbildung.




   
 

Matthias Berthold, * 1964
Matthias Berthold lebt während der Zeit von going public 2 in der Fabrik. Mitten in der großen Halle schläft er auf dem Feldbett, das er im Sanitätsraum gefunden hat. Die alltäglichen Notwendigkeiten ordnet er darum herum.

Sein Interesse gilt der Verwicklung von Menschen in seine Aktionen und Arrangements. Hier gipfelt das im Aufstellen von Besucherfallen. Verschiedene Gegenstände werden aufs Feinste auf einer Ecke ausbalanciert, dass sie bei der leisesten Berührung umstürzen müssen. Zur Tarnung erhält jede dieser Fallen einen Titel wie: nah bei Usedom, Anna-Lena, Grobkörperfalle, Holzleiter Malmö oder Heldenregal.

Besucher, die angefasst haben, werden aufgefordert, das zerstörte Werk zu rekonstruieren, was zumTeil mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Ärger, Wut und Ungläubigkeit sind die Folge. Im gleichen Maße erwacht der Ehrgeiz und die Freude ist groß, wenn die Balance wiedergefunden ist. Gelingt die Rekonstruktion nicht, tritt der Versicherungsfall ein.



   
 

Maren Hansen, * 1959
Maren Hansen wählt sich die alte Kabine als ihren Arbeitsort, in der in den besten Zeiten täglich bis zu 430 Menschen gegessen haben.
In ihrer malerischen Auseinandersetzung mit dem Raum wird dieser zum Symbol von Zeit, Geschwindigkeit und Vergänglichkeit. Mit dem Pinsel fährt Maren Hansen den Lichteinfall zu verschiedenen Tageszeiten auf Wand, Boden und Mobiliar nach. Die Farben zeigen, von Weiß über Gelb bis Pfirsichblüt, die Stimmungen des Lichtes zu verschiedenen Tageszeiten.

Niemand kann sich beim Betreten des Raumes der starken dreidimensionalen Kraft der Farben entziehen.



   
 



Dorothea Koch, * 1955
Beherzigungshaus
Weißes Holzgerüst, bespannt mit farbigen Plastikfolien und Kunststoff-Haushaltstüchern.
Das Haus hat drei Wände, Dach und Boden.
Es ist gefüllt mit Kleinkram aus einem 99Pfennig-Laden, sowie Plastikkisten und Eimern.
Durch die Anordnung der Gegenstände entsteht eine Art sakraler Raum. Das Licht, das durch die Außenfenster fällt, erleuchtet den Innenraum des Hauses wie einen Altar.

Beieinanderseinhaus
Weißes Holzgerüst, bespannt mit verschiedenen weißen Materialien: Gärtner-Gaze, Kunststoffgardine, Noppenfolie.
Das Haus hat drei Wände, und ein Dach.
Es erinnert an ein Tor, ein Wartehäuschen, eine Haltestelle...
Im Haus auf dem Boden der Halle liegt ein Stapel weißer Kerzen, eine einzelne Kerze steht daneben, ihr Docht ist schwarz, sie ist halb abgebrannt. Halb im, halb vor dem Haus steht ein Paar weißer Seidensandalen. Das Haus steht vor den Fenstern der Halle, es lässt die Architektur des Hauses durchscheinen.



   
 

Cornelia Kürzel, *1970
Cornelia Kürzel hat sich die Kraft und Lebendigkeit der Natur zum Thema gemacht, die von der leerstehenden Fabrik Besitz ergreift. Sie formuliert als Pendant zum ursprünglich alten, dreckigen zerkratzten Schmutzvorhang der Fabrik einen paradiesischen Eintritt vor. Er besteht aus 230 cm x 200 cm Acrylfolie und hat eine Stärke von 5 mm.

In diesen zweiten durchsichtigen Vorhang werden bewusst Motive aus der Natur, sowie die Elemente der Fabrik - wie Kranketten und Maschinenteile - eingeritzt.
Als paradiesisch-schönes Tor heißt er die Besucher in der Fabrik willkommen.



   
 



Sabine Kullenberg, *1957
Sinnbuilder sind Wegweiser, die Zeichen setzen.
Sie entstehen in intensiver, auch nonverbaler Auseinandersetzung mit den Auftraggebern. Das entstandene Kunstwerk dient als sinnlicher Anker für die jeweiligen Ziele, sowie als Zugang zu den eigenen Ressourcen. Es ist auch eine Art künstlerischer Spiegel des internen Kommunikationsprozesses.

Ausgehend von ihrer Arbeit für Firmen und Gruppen, entschließt sich Sabine Kullenberg in der Woche going public 2 ein SinnBuild für sich selbst zu erstellen. Das Sinnbuild als Metapher für die aktuelle Lebenssituation mit den Themen, die zur Zeit präsent sind.
Es entstehen verschiedene einzelne Arbeiten, die wie Facetten oder Mosaiksteine das Thema Räume öffnen definieren.

So wird der Ventilator in der Meisterkabine als Lichtkörper zur Präsentationsfläche für eine Diashow mit Kaugummisequenz.



   
 



Bauch
In Kooperation zwischen Sabine Kullenberg und Clemens Austen entstehen zwei Kunsträume im Keller der HMG-Fabrik.
Unter dem Namen Bauch laden der Wutraum und der Ruheraum den Besucher zur aktiven Nutzung ein.

Hundert Personen steht es frei, dort einzeln hinabzusteigen, um allein mit seinen Gefühlen zu sein.
Der Wutraum bietet die Möglichkeit, mit Farbe, Stock und Hammer seinen aggressiven Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Im Ruheraum sieht sich der Besucher intensiv mit sich selbst konfrontiert.



   
 

Gudrun Löbig, * 1966
Gudrun Löbig beschäftigt sich vor Allem mit einem quadratischen Raum, der stark gegliedert ist durch Säulen und weiße Wegmarkierungen auf dem Boden, die offensichtlich einmal den Fahrweg für den Hubwagen kennzeichneten.
Im Hindenken an die Arbeiter und ihre Leben entstehen Gedankenfetzen: von der Decke hängend mit Bleistift und auf Papier präsentiert, spiegeln sie in Lautmalerei und Assoziationsketten die Gefühle im Raum wider.

Ein Stück pink Flokati sprengt farblich alle Dimensionen und bezeichnet die Sehnsucht des Menschen nach etwas Warmen, nach Kuscheln und Zuhause - nach Etwas, was man nicht kaufen kann.



   
 



Christiane Lüdtke, *1960
Christiane Lüdtke portaitiert ihre Künstlerkolleginnen und Kollegen in Ton.
Für sie bedeutet die bildhauerische Beschäftigung mit dem Gesicht eine sinnliche Kontaktaufnahme mit dem Gegenüber und ist zugleich eine Hommage an die Individualität der Persönlichkeiten.

In einer zweiten Arbeitsserie reagiert Christiane Lüdtke auf die gebrauchten, gelebten Spuren an den Wänden, die für sie alle menschliche Gefühlslagen symbolisieren.
So nimmt sie Wanddoppelungen vor auf Pressspanplatten mit dem Maß 50cm x 50cm.
Das gewählte Stück Wand wird mit seiner Gefühlsaussage wie Schmerz, Einsamkeit, Glück, etc. auf das Holz übertragen und neu interpretiert. Die Spuren an der Wand wie Kabel, Einschnitte, Kerben, Staub und rinnende Flüssigkeiten, werden mit Gips und Farbe zur Metapher für Stimmungen.



   
 

Tina Pott, * 1961
Tina Pott wird vor Allem von einem Raum magisch angezogen: ungefähr 40qm, ein Drittel davon mit einem Drahtgitter bis zu Decke begrenzt, Betonboden, wenig Licht: ein Käfig.

Hier entsteht Tina Potts Installation zum Thema Vergänglichkeit.
Durch Anordnung von mit Wasser und Rapsblüten gefüllten Flaschen, weden Rapsfelder nachempfunden. Die verschiedenen Stadien von der Blüte zur Reife und schließlich zum Verfall der Pflanze symbolisieren den Kreislauf des Lebens bis hin zum Tod.

Bem Betrachter bleibt es überlassen, ob er diesen Prozess von außen, durch das Drahtgitter schauend, oder inmitten des Raumes miterleben möchte.



   
 



Maggie Weld, * 1949
Maggie Weld wollte von Anfang an dem harten Raum der Fabrik etwas Weiches entgegensetzen.
So realisiert sie mit 16 Stoffbahnen aus Gaze in 5 Metern Höhe gute Geister und Engel. Sie reichen von der Decke bis zum Boden und sind an den Enden mit Heizungseisen beschwert.
Das untere Drittel hat Maggie Weld in Farben getaucht, die sich auch im Fabrikraum wiederfinden lassen.

In der Reihung von Fenster, Stoff und noch mehr Stoff, der Treppe und den Fensterschatten, ergibt sich eine lichtdurchflutete Leichtigkeit. Bewegt mit dem Wind, der durch die offenen Fenster weht, erschließt sich die schlichte, poetische Schönheit dieser Arbeit.

In ihrer zweiten Arbeit erobert sich der rote Teppich den ganzen Fabrikraum. Maggie Weld legt ihn, aus auf dem Gelände gefundenen Fliesenscherben, der Länge nach durch die ganze Halle.
Im symmetrisch gespiegelten Oberlicht verbindet das Scherbenband alle Künstlerinnen und Künstler grafisch und optisch miteinander.



   
 

Tomas Wesen, *1964
Als Musiker und Arbeiter in der sozialen Skulptur ist für Tomas Wesen auch going public 2 mehr Klang als Materie. Er ist der Sammler von Tönen und Geräuschen in den Hallen.
Er lebt als Wortfinder zurückgezogen in den hinteren Räumen der alten Kantine, belassen wie verlassen noch in Tapete und Gardine. Dort wandert das Fragment über vier Spuren in die Inspiration mit anderen Musikern, bis es in dem Konzert zur Ausstellungseröffnung in der Meisterkabine gipfelt, die von Clemens Austen zum Magentaraum umgestaltet ist.

Alle Schritte sind als Ausstellung über Kopfhörer zu hören, als Texte zu lesen.



   
 

Johannes Zech, * 1959
Johannes Zech findet beim ersten Stöbern in den Werkshallen zwei große Schwarzweißfotos , die bis auf unterschiedliche Alterungsspuren absolut identisch sind.
Sie zeigen, auf Pressspan gezogen in der Größe 110 cm x 240 cm, das Werksgelände der Firma Baader in Lübeck, wie es in den frühen 60er Jahren ausgesehen hat.
Johannes Zech ist zunächst einmal fasziniert davon, welche Erinnerungen an seine Kindheit die Architektur, die Parkplatzgestaltung und die Automarken auslösen.

Ohne ein erkennbares Ziel zeichnet er in diese Fotos hinein, übermalt Flächen und benutzt dabei immer kräftigere Farben. Nach und nach bevölkern Figuren aus anderen Bildern oder aus der Geschichte das Baader-Gelände.

So entstehen im Lauf der Woche nebeneinander zwei Versionen eines Deutschlands der Wirtschaftswunderzeit, die merkwürdig weit und gleichzeitig bürgerlich eng, merkwürdig realistisch und doch auch apokalyptisch bedrohlich wirken.



   
 



Wissen Sie, wie schwer Klosprüche sind?
Sehr geehrte Damen und Herren,
bevor Sie hier auf die Toilette gehen, ein paar Worte:

Wer kennt das nicht?
Öffentliche Toiletten sind immer vollgeschrieben mit so genannten Klosprüchen. Ob man will oder nicht: man liest sie, ganz gleich, wie hohl sie auch sein mögen. Manchmal muss man aber auch lachen, weil ein Klospruch einfach gut ist.

Wissen Sie eigentlich, wie schwer es ist, einen richtig guten Klospruch zu formulieren? Können Sie sich vorstellen, vor welchen Schwierigkeiten man bei ihrer ästhetischen Umsetzung steht? Waren Sie auch schon immer einer von diesen wohlerzogenen Mitmenschen, die niemals auf die Idee gekommen wäre, einen Stift des Typs auch nur zu kaufen? Oder wollten Sie schon immer einmal das lustvolle Gefühl erleben, so etwas Verbotenes zu tun? Haben Sie sich auch schon mal gefragt, woher so viele Toilettenbenutzer immer so schnell einen Eddingstift nehmen?

Heute kann Ihnen geholfen werden:
Sie nehmen bitte einen der bereitgestellten Eddingstifte und probieren es einmal selber! Hier dürfen Sie endlich eine Erfahrung machen und werden gleichzeitig Teil des künstlerischen Gesamtprodukts Klosprüche going public 2.
Für Ihre Aufmerksamkeit danke ich Ihnen!
Ebenso recht herzlichen Dank im Voraus für Ihr tätiges Engagement, sofern Sie sich an dieser Performance beteiligen!

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Zech