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2005

going public 3
19. August - 4.September 2005

Das Kaufhaus der Glunz GmbH & Co.KG besteht seit 1926. Gegründet von den Brüdern Rudolf und Otto Glunz, bietet es traditionsgemäß seinen Kunden Eisenwaren und Baubeschläge, Haushaltswaren und Geschenkartikel an.
Später kommen Abteilungen für Einbauküchen und Sanitärbedarf hinzu, ein Ostasien-Import, Sowie Stahlbau und Eisenhandel. Die Geschäfte der Firma Glunz prägen mit ihrer vielfältigen Präsenz über Jahrzehnte das Einkaufsleben des Stadtteils Bergedorf.

1986 erweitert die Firma Glunz um das Geschäft in der Töpfertwiete mit dem Namen Gartenparadies.
Eigens für diesen Zweck gebaut, werden hier Camping- und Gartenartikel verkauft.
Die steigende Zahl der Bau- und Hobbymärkte und Discounter macht die Schließung des Hauptgeschäftes und des Gartenparadieses im Sommer 2004 nötig.

1.000 Quadratmeter Fläche zu ebener Erde stehen 14 Künstlerinnen und Künstlern für zwei Wochen zur Verfügung: einsehbar durch riesige Fensterflächen, ausgestattet mit Neonröhren unter der Decke und Kunstrasen auf dem Fußboden.
Holzverschalungen, Podeste, Regalbretter, Leitern und alte Werbetafeln zeugen von der ehemaligen Bestimmung des Gartenparadieses. Vieles davon fließt als Material in die künstlerischen Arbeiten mit ein.



   
 



Matthias Berthold, * 1964
Wir hier unten
Tütenparadies
Wiedergefundene Einheit
Ding

Der Künstler kann warten: er horcht, er beobachtet, hält fest, verknüpft -
die Reaktionen und verbalen Äußerungen der Besucher oder zufälliger Passanten.
Aus diesem Fundus entstehen irritierende Arbeiten an der Schaufensterscheibe, die den Betrachter verblüfft auf sich selbst zurückwerfen.



   
 

Rainer Heckel, * 1952
o.T. - vom Scheitern -

Der Maler Rainer Heckel beschäftigt sich in der Woche going public 3 mit zurückgelassenem Holz, den Regalbrettern, Stangen, Stücken und Lochbrettern.
Hieraus entstehen vier Würfel, die, grob und zerbrechlich miteinander verbunden, vom Scheitern der Form genauso erzählen, wie vom Geheimnis neu erfundener Räume.



   
 

Claudia Hinsch, * 1966
Platz 2

Claudia Hinsch konzipiert eine Bodenskulptur aus Gips, Jute und Lackspray. Sie ist ortsbezogen auf den grünen Teppich, mit dem der Ausstellungsraum ausgelegt ist.
Es entsteht eine Fläche von 4 x 6 Metern mit Erhebungen, Unterschneidungen, Ebenen und Tiefen.
Die Skulptur ist komplett mit silbernem Lackspray überzogen.



   
 



Jokinen
nachgebaut
Die Grenze als Metapher und Realität ist das Thema der bildenden Künstlerin Jokinen. Wie verhalten sich Körper in Räumen mit Grenzziehungen? Wo sind Räume ohne Grenzen, wo werden Grenzüberschreitungen möglich? Kurz nach der deutsch-deutschen Grenzöffnung las die Künstlerin eine Zeitungskleinanzeige, in der DDR-Grenzgitterzäune zum Verkauf angeboten wurden. Mitgeliefert wurde eine Werbebroschüre mit einem Photo als Empfehlung für den Materialeinsatz: eine Gartenidylle, die Jokinen jetzt im Ausstellungsraum mit dem Grenzzaun und Pflanzen nachbaut - die schmerzhafte Erinnerung in einem Stück privatisierten Glücks.

Blühende Landschaften
Die Zeichensetzung Blühende Landschaften am Schaufenster deutet auf die unterschiedlichsten künstlerischen Arbeiten des Ausstellungsraumes im Gartenparadies Glunz und erinnert zugleich an einen zynischen Politiker-Versprecher.
Die Bundestagswhl mit den langen Reihen der Wahlplakate steht vor der Tür.



   
 



Dorothea Koch, * 1955
Petersilienbar
Strauß
Ranke

An einer weißen Schleiflackbar aus den 70ern wird am Eröffnungsabend eine Performance präsentiert. Auf dem Boden rund um die Bar sind Berge von frischer Petersilie angehäuft, über der Bar hängt eine Girlande aus grünen Buchstaben mit dem Wort Petersilienbar, der Tresen ist mit diversen Petersiliensträußen geschmückt.
Mit einem Petersilienkranz auf dem Kopf serviert Dorothea Koch ihrem Publikum Petersilien - Herzwein, Sticker Petersilie to go und das vielgeliebte Butterbrot mit Salz und Petersilie, das an Kindheit erinnert. Das Weinrezept nach Hildegard von Bingen und ergänzende Recherchen über die Petersilie, finden sich in einem kleinen grünen Fanzine mit dem Titel Felsensellerie.

Hunderte schwarz-weiß Kopien von Pflanzen, Bäumen und Blumen, scherenschnittartig bearbeitet, sind in Schichten zusammengeklebt und überlagert, erneut ausgeschnitten und wieder kopiert - und wieder geschnitten, geklebt und kopiert.
Am Ende entsehen Mosaiken, die in meditativer Stille an riesige Sträuße oder versteckte Ranken erinnern.



   
 

Chris Lambertsen, * 1954
Paradiese

Was ist das Paradies?
Wo ist das Paradies?
Wie ist das Paradies?
Das sind die Fragen, die sich Chris Lambertsen stellt. In einer weiten Reise beschäftigt er sich fotografisch mit den ganz persönlichen, vielleicht verlorenen, vielleicht ganz geheimen Paradiesen der Menschen.
Am Ende stehen viele Türen offen: frei für Jeden, der den Mut hat, hineinzuschauen.



   
 



Gudrun Löbig, * 1966
grüner Sektor

eine Decke
eine Luftmatratze
zwei Gartenstühle
ein Gaskocher
Kleidungsstücke
verschiedene Taschen
ein Radio - mit Rauschen und Knacken
Kabel
Arbeitsleuchten
und verschiedene weitere Dinge

Einige Utensilien erinnern an ein Picknick oder an Camping, einige Dinge sind nicht eindeutig in das Szenario einzuordnen. So entsteht insgesamt eine surreale Situation: ein Verweis auf Andersartiges, etwas, das man nicht versteht und das anderen Regeln gehorcht.



   
 



Christiane Lüdtke, *1960
Die Weite gegenüber

Ein vorgefundener Verschlag, versteckt in der Mitte des Gartenparadieses. Zwischen Sperrholzwand und eisernem Rolltor baut Christiane Lüdtke mit Fundholz einen auf und absteigenden Weg, der den Besucher auf eine sinnliche Reise in den 40 cm großen Raum schickt.

Passanten

Gezeichnete Passanten, gelaufen von A nach B und von B nach A auf der Straße vor dem Gartenparadies, werden vergrößert und in gefundenem Holz gesägt.



   
 



Klaus Peters, *1944
Wechselspiel

Klaus Peters arbeitet mit dem Material, das er im Gartenparadies vorfindet: Lochbleche und Regalsystemstangen. Er zeichnet mit Klebeband ein variables Wechselspiel mit der Möglichkeit für den Besucher, sich sein Bild individuell umzubauen, wie es für ihn stimmig ist.

Im Wind

In Anlehnung an die Art vieler Heimgärtner, akkurat nach Norm und festgelegtem Maß das persönliche Paradies anzulegen, entsteht die Arbeit im Wind als Symbol für eine eingezwängte tote, geknebelte Natur.



   
 

Andreas Raeschke, * 1980
Portraits

Mit Bleistift und schnellem Strich hält Andreas Raeschke die Künstlerinnen und Künstler fest.
Er verändert mit wenig Farbe die Aussage und setzt individuelle Akzente.



   
 

Claudia Valdéz, *1960
Ein bis zwei Merkel sein

Angeregt von der Fototapete im Gartenparadies, die Oase und Idylle verspricht, inszeniert Claudia Valdéz die Performance Ein bis zwei mal Merkel sein.
Besucher können in die Rolle der Angela Merkel schlüpfen und sich hinter der Maske endlich einmal austauschen, was sie machen wird, wenn sie Kanzlerin ist.
Zur weiteren künstlerischen Verarbeitung werden die Gesprächssequenzen auf Video festgehalten.



   
 

Doris Maria Witte, * 1945
AuszugVerteibung

Doris Maria Witte lotet am Beispiel der Gartenzwerge die darstellerischen Möglichkeiten für den Auszug - die Vertreibung aus dem Gartenparadies aus: in zeichnerischen, malerischen und skulpturalen Arbeiten zeigt sie den Prozess des Auszuges selbst und verweist auf die dadurch entstandene Leere des am Ende geräumten Kaufhauses.



   
 

Sven Wohlgemuth, * 1964
Verkleinerungen 1 - 9

Ausgehend von ersten malerischen Zeichen, erzählt Sven Wohlgemuth ganze Geschichten mit Hilfe richtungsweisender Linien und formaler, flächiger Setzungen.
Fabelwesen bewegen sich darin und sind mit Formen und Linen verwoben.
So entstehen spontane, kraftvolle aufeinanderfolgende Blätter, die schließlich Vorlage für seine Radierungen sind.



   
 

Plopp 2
Matthias Berthold und Sven Wohlgemuth legen gemeinsam die Arbeit Plopp.
Mit sicherem Auge für gelungene Komposition kreieren sie, gleichsam im Vorbeigehen, ein Bodenmosaik aus dem Material des Gartenparadieses.

So entsteht Plopp als Zeitdokument des Kaufhauses Glunz, Abteilung für Garten- und Campingausstattung.



   
 



Johannes Zech, * 1959
Mich, das bin ich nur für mich selbst

Tarzan und seine Welt des Dschungels sind Produkte einer Sehnsucht nach dem Fremden, Exotischen und Natürlichen. Gleichzeitig mit dieser Sehnsucht tritt oft ein wohliger Schauer auf: die Furcht vor dem Fremden, eine Mischung, welche schon immer Fernhändler, Forscher, Eroberer bis hin zu modernen Urlaubern auf ihren Reisen begleitet hat.

Der heimische Garten erscheint daneben zunächst als das Gegenteil von Dschungel, also als zivilisatorische Heimat. Dabei stellt er den Versuch dar, die Wildheit der Natur vor die eigene Haustür zu holen, den Dschungel also gleichsam zu domestizieren.

Johannes Zech bedient sich in seiner Auseinandersetzung mit dem Ort eines dort vorgefundenen Luftfrachtbehälters, um die Verbindung zwischen dem Gartenparadies und dem Tarzan-Stoff herzustellen. Durch die Löcher dieser profanen und zugleich geheimnisvollen Kiste kann man Dschungel ausmachen.
Es ertönen Satzfetzen von Jane und Tarzan, das Kreischen der Äffin Cheeta, Löwenknurren und Amselgezwitscher. Tarzans Schrei dringt bis in den letzten Winkel der Halle. Die graphische Darstellung eines muskulösen Mannes in Lendenschurz, breitet sich in serieller Wiederholung vom Schaufenster am Eingang über die gesamte Ausstellungsfläche aus.
Ist es Tarzan, den sie zeigt oder ist es ein Jederman, der sich um Kopf und Kragen brüllt?